Urininkontinenz
Seit der Kindheit erlernen wir, dass wir unser „Geschäft“ auf der Toilette verrichten und wenn wir als Kind die Windeln ablegen konnten, waren wir schon groß und selbstständig. Der Verlust dieser Autonomie geht daher für die Betroffenen mit einem sehr großen Schamgefühl einher, da wir von klein auf lernen, dass es gesellschaftlich nicht anerkannt ist „sich in die Hose zu pullern“.
Dies führt dazu, dass sich die Betroffenen nicht an nahestehende oder auch außenstehende Personen wenden, um Hilfe zu erhalten. Erst wenn der Leidensdruck zu groß ist, wird über Umwege das Problem eventuell thematisiert. Es heißt dann zum Beispiel: „Es ist mir sehr unangenehm, aber ich laufe aus“. Diese Scham führt dazu, dass die Betroffenen sich zunehmend zurückziehen und aus Angst an öffentlichen Veranstaltungen kaum noch teilnehmen. Um den Schein zu wahren, werden normale Monatsbinden gekauft, die wesentlich weniger saugfähig sind als spezielle Binden.
Weiterhin wird die Trinkmenge auf ein Minimum reduziert und die Toilette so oft es geht aufgesucht, um möglichst oft eine kontrollierte Ausscheidung zu erreichen. Viele Betroffene neigen dazu, sich selbst die Schuld für die Inkontinenz zu geben oder dies als gerechte Strafe für Ihre Sünden anzusehen.
Auch Ekel vor sich selbst und die Demütigung, sich eventuell vor Angehörigen oder Pflegekräften zu entblößen und sich helfen zu lassen, belasten sehr. Aus diesem Grund ist der respektvolle Umgang besonders wichtig, was auch auf Mimik und Gestik zutrifft. Verwenden Sie nie Begrifflichkeiten aus Kindertagen wie „windeln oder pampern“. Stattdessen wechseln Sie das Inkontinenzmaterial bzw. die Einlage.
Nachfolgend werden Maßnahmen zur Unterstützung der Kontinenz beschrieben
- Auf eine ausreichende Trinkmenge von 1,5 – 2l achten, da ein konzentrierter Urin den Harndrang verstärkt.
- Förderung der Bewegungsfähigkeit und der Fingerfertigkeit (z. B. durch Obst schälen), damit die Toilette schnell erreicht und die Kleidung geöffnet werden kann.
- Es sollte warme, leicht ausziehbare und pflegeleichte Kleidung getragen werden.1
- Entwässernde Tabletten morgens einnehmen, um die Nachtruhe nicht unnötig zu stören.
Praxistip
Entsorgung→Um die Einlage zu entsorgen empfiehlt sich ein kleiner 10 l Eimer, der im Bade- oder Schlafzimmer steht. Lassen Sie die Müllbeutelrolle direkt am Müllbeutel hängend am Eimerboden liegen und reißen Sie die Rolle bei Entsorgung des Beutels ab. So sparen Sie sich, immer erst neue Müllbeutel zu holen.
Ergänzend können folgende Maßnahmen in den Alltag integriert werden:
Toilettentraining
Fordern Sie den Betroffenen alle zwei Stunden auf zur Toilette zu gehen, unabhängig davon, ob er das Gefühl verspürt zu müssen. Sollte der Abstand zu groß sein, verringern Sie diesen entsprechend. Nach 10 Tagen der Trockenheit können Sie das Intervall jeweils um eine Viertelstunde erweitern. Die Verlängerung der Intervalle ist sehr wichtig, damit die Kapazität der Blase nicht verringert wird.
Blasentraining
Insbesondere bei der Dranginkontinenz (s.u.) ist es empfehlenswert, den Betroffenen bei Auftreten des Harndrangs zu ermuntern, den Toilettenbesuch, soweit es geht, hinauszuzögern. Beginnend mit zwei Minuten bis hin zu mehreren Stunden. Der Erfolg ist hier allerdings eher langfristig angelegt und kann durch Beckenbodentraining unterstützt werden.
Blasenklopftraining
Diese Methode kommt bei der Reflexinkontinenz (s.u.) zum Einsatz. Um die Blase zu füllen, sollte der Betroffene zuerst 0,5 Liter Flüssigkeit innerhalb von 10 Minuten zu sich nehmen. Anschließend nimmt er eine sitzende Haltung ein. Nun werden die Oberschenkelinnenseiten und die Blasengegend mit den Fingerspitzen oder der Hand beklopft, die Oberschenkelinnenseiten werden zusätzlich ausgestrichen. Dies löst einen Reflex aus, der die Blase zusammenziehen lässt und eine Entleerung herbeiführt. Um die Zeit der Trockenheit zu verlängern, gehen Sie bzgl. der Intervalle wie beim Toilettentraining (s.o.) vor.2
Hautpflege
Falls Sie jemandem die Einlage wechseln, sollten Sie den Intimbereich und den Po waschen bzw. mit einem Feuchttuch säubern, auch wenn die Einlage „nur“ nass ist. In meiner Zeit der Ausbildung machte ich den Selbstversuch und testete verschiedene Einlagen um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich „meine“ Bewohner fühlten. Es war eine sehr einprägsame Erfahrung, welche ich auch in einem Artikel in der Zeitschrift NovaCura dokumentierte. Bei Interesse können Sie den Artikel hier herunterladen.
Vor allem durch die Nässe kommt dem Thema Hautpflege eine besonders wichtige Bedeutung zu. Beim Waschen sollten Sie auf eine pH-neutrale Seife achten und so oft es geht auch nur mit lauwarmem Wasser waschen. Alternativ können auch eine hautstabilisierende Waschung durchführen.3 Hautschutzsprays oder Pflegeschäume sollten Sie möglichst vermeiden. Anschließend cremen Sie die Haut mit einer Wasser-in-Öl-Emulsion ein. Stiftung Warentest untersuchte Allzweckcremes und befand Eubos Basispflege Creme, bebe Zartpflege Zartcreme, Satina, Florena Creme (günstigstes Testprodukt), Nivea Creme sowie die Eldene Body Care Hautpflege-Creme (Aldi Nord) für gut.4
Vermeiden Sie Öl-in-Wasser-Emulsion und Vaseline, Melkfett u.ä., da diese Mittel die Hautporen verstopfen und zu einer starken Wärmebildung führen, wodurch die Haut aufquellen kann. Sollten die Produkte dennoch aufgrund medizinischer Gegebenheiten zum Einsatz kommen, sollte sie zweimal täglich abgewaschen werden. Auch von Puder ist aufgrund der Klumpenbildung abzuraten.
Wenn Sie feststellen, dass der Po häufig feucht ist, sollte ein Wechsel des Einlagenproduktes angestrebt werden. Insbesondere Einlagen mit Superabsorber nehmen besonders stark Feuchtigkeit auf und halten die Haut daher trocken. Welche verschiedenen Produkttypen zur Verfügung stehen wird nun erläutert.
Auf der nächsten Seite werden verschiedene Inkontinenzmaterialien vorgestellt.
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