Die Patientenverfügung
Das Verfassen einer Patientenverfügung hat das Ziel, dass im Falle der eigenen Entscheidungsunfähigkeit die weitere ärztliche Versorgung in Ihrem Sinne verläuft. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, sich in einem ruhigen Moment mit den eigenen Werten, Vorstellungen, Lebensansichten und Einstellungen auseinanderzusetzen. Dabei sollten Fragen über Organspende, lebensverlängernde Maßnahmen (z. B. künstliche Ernährung) oder Todesort (z.B. zu Hause, Hospiz) mit einbezogen werden. Es kann der Fall eintreten, dass die Anerkennung der Patientenverfügung vor Gericht eingeklagt werden muss oder im Notfall ein fremder Arzt oder Rettungsassistent innerhalb kürzester Zeit Entscheidungen treffen muss.
Welche Probleme und Unsicherheiten dabei im Alltag entstehen, untersuchte Herr Mahmoud Fallahpour 2012 im Rahmen seiner Doktorarbeit an der Universität Regensburg. Bei einer Befragung von 728 Rettungsassistenten stellte er fest, dass diese sich häufig auf einem schmalen Grat zwischen Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung bewegen. 42% der Befragten gaben an, sich schlecht oder sehr schlecht in Bezug auf die Rechtssicherheit von Patientenverfügungen informiert zu fühlen und 76% waren im Umgang mit Patientenverfügungen unsicher.
Daher erachteten 77% das Vorliegen eines Notfallpasses als sinnvoll. Hierbei handelt es sich um ein kleines Dokument, das leicht im Portemonnaie mitgeführt werden kann und welches Handlungsanweisungen im Notfall vorgibt und in dem die vorsorgebevollmächtigte Person mit Kontaktdaten benannt werden kann. Es ist sozusagen eine verkürzte Patientenverfügung.
Laut Fallahpour kann es in manchen Fällen der Notfallmedizin zu einer Diskrepanz zwischen Patientenverfügung und Handeln kommen, was zu ethischen Konflikten beim Rettungspersonal führen kann. Daher merkt er an, dass bei Absehbarkeit des Todeseintritts der Rettungsdienst nicht alarmiert werden sollte.
Ergänzend sei in diesem Zusammenhang auf den ärztlichen Bereitschaftsdienst hingewiesen.1 Diesen erreichen Sie bundesweit kostenlos unter der Nummer 116117. Im Gegensatz zum Notdienst handelt es sich beim ärztlichen Bereitschaftsdienst um eine hausärztliche Vertretung, welche bei nicht lebensbedrohlichen Situationen zum Einsatz kommt.
Formulierung
Da die Patientenverfügung vielen Personen, insbesondere den bevollmächtigten Personen als Handlungsanweisung dient, ist anzuraten, die Patientenverfügung so ausführlich wie möglich zu formulieren. Daher ist von standardisierten Vordrucken alleine abzuraten.
Je umfangreicher und detaillierter die eigenen Überzeugungen und Weltanschauungen dargestellt werden, desto besser können die jeweiligen Entscheidungsträger der Selbstbestimmung Rechnung tragen.Trotzdem sollten die wichtigsten Punkte noch einmal kurz im Notfallpass zusammengefasst werden, da der Rettungsdienst nicht die Zeit hat, mehrere Seiten zu lesen und zu interpretieren.
Um zu vermeiden, dass die Patientenverfügung aufgrund von Unklarheiten keine Anwendung findet, ist besonders auf eine eindeutige Formulierung zu achten. Ein anschauliches Beispiel beschreiben Geckle und Bonefeld in ihrem Buch „Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht“:
„„Ich will nicht an Schläuchen sterben“. Dieser Satz ist eindeutig mehrdeutig. Er kann sowohl so ausgelegt werden, dass keinerlei Apparatemedizin (was immer dies auch sein soll) gewünscht ist. Er kann aber auch anderweitig ausgelegt werden, nämlich, dass auf jeden Fall die Ärzte um das Leben kämpfen sollen, damit man nicht an Schläuchen stirbt.“2
Auch die folgenden zwei Formulierungen verdeutlichen, wie wichtig eine ganz konkrete Anweisung ist.
Die Formulierung „Wenn mein Leben nicht mehr erträglich/unwürdig ist“, ist subjektiv und kann von jedem Menschen anders interpretiert werden. Ebenso die Situationsbeschreibung „Wenn ich nur noch von der Intensiv- und Apparatemedizin abhängig bin“. Es ist nicht erkennbar, ob Sie diese Maßnahmen generell oder nur in bestimmten Situationen ablehnen. Vielen Menschen ist auch die Tatsache nicht bewusst, dass eine künstliche Ernährung mittels einer Magensonde nicht unter die Intensiv- und Apparatemedizin fällt. . Möchten Sie genau dies ausschließen, formulieren Sie, dass Sie Lebenserhaltung durch künstliche Ernährung generell oder in bestimmten Situationen ablehnen. Aufgrund des fehlenden medizinischen Fachwissens ist eine Beratung bei Ihrem Arzt zu empfehlen.3
Praxistip
Bescheinigung→Lassen Sie sich die Beratung auf der Verfügung bescheinigen. Dadurch erhöhen Sie die Akzeptanz bei anderen Ärzten. Einige vertreten nämlich die Auffassung, dass medizinische Laien alleine gar nicht in der Lage sind, solche medizinischen Entscheidungen zu treffen und lehnen die Verfügung mit dieser Begründung ab.
Formal gesehen muss die Patientenverfügung schriftlich verfasst und von der betroffenen Person unterschrieben worden sein. Es müssen Name, Anschrift und Geburtsdatum angeben werden.4 Eine kostenlose Beratung zu diesem Thema erhalten Sie vor Ort bei Ihrem Betreuungsamt, welches in einem persönlichen Gespräch umfangreich informiert und auf Ihre Fragen eingeht und bei der Formulierung behilflich sein kann. Es ist sinnvoll sich diese Beratung auf der Patientenverfügung in Form einer Beglaubigung bescheinigen zu lassen, da dies noch einmal die Ernsthaftigkeit unterstreicht und bestätigt, dass Sie sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Die Kosten hierfür betragen 10€.
Aufbewahrung der Patientenverfügung
Liegt eine Patientenverfügung vor, ist zu empfehlen, folgende Personen zu informieren: Hausarzt, Pflegedienst oder Pflegeheim – damit diese im Notfall dementsprechend handeln können.5 Liegt im Notfall kein Ansprechpartner vor, wird das Betreuungsgericht eingeschaltet, welches über das Zentrale Vorsorgeregister prüft, ob eine Vorsorge-/Generalvollmacht und/oder Betreuungs– und/oder Patientenverfügung hinterlegt ist.6 Sind keine Vollmachten hinterlegt, wird ein gesetzlicher Betreuer bestellt. Hat der Patient keine Patientenverfügung verfasst oder bezieht diese die konkrete Lebens- und Behandlungssituation nicht mit ein, muss der Betreuer oder der Bevollmächtigte den mutmaßlichen Willen ermitteln. Dabei sind frühere Äußerungen, sowie seine Überzeugungen und Wertvorstellungen mit einzubeziehen.7
Praxistip
Vorsorgeregister→Damit die eigene Selbstbestimmung auch im Notfall gewahrt bleibt, sollten Sie Ihre Patientenverfügung beim Zentralen Vorsorgeregister hinterlegen. Dies geht allerdings nur in Zusammenhang mit einer Vorsorge-/Generalvollmacht oder Betreuungsverfügung.8
Da sich die Medizin sowie die Wertvorstellungen und Ansichten im Laufe des Lebens ändern können, sollte die Patientenverfügung regelmäßig aktualisiert werden. Außerdem sollte gleichzeitig eine Vorsorgevollmacht ausgestellt werden, damit auch andere Bereiche außerhalb der medizinischen Versorgung in Ihrem Sinne geregelt werden können.
Einen thematischen Überblick zum Thema Patientenverfügung liefert auch die Broschüre des Bundesjustizministeriums, welche Sie hier finden.
Kurz zusammengefasst:
- Ausführliche und eindeutige Formulierung
- Notfallpass mitführen
- Patientenverfügung beim Zentralen Vorsorgeregister hinterlegen
- Kostenlose Beratung und günstige Beglaubigung beim Betreuungsamt
Quellen:
6Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2013): Verordnung über das Zentrale Vorsorgeregister (Vorsorgeregister-Verordnung (VregV), vom 21.02.2005.
4+5Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz [Hrsg.] (2014): Patientenverfügung. Leiden – Krankheit – Sterben Wie bestimme ich, was medizinisch unternommen werden soll, wenn ich entscheidungsunfähig bin? Paderborn.
7Bürgerliches Gesetzbuch (§1901a) in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.01.2002 (BGBl. I S. 42, ber. S. 2909, 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.04.2015 (BGBl. I S. 610) m.W.v. 28.04.2015 bzw. 01.06.2015.
1Fallahpour, M. T. (2012): Erfahrungen im Umgang mit Patientenverfügungen von Rettungspersonal in Deutschland. prospektive, multizentrische Interviewstudie. Dissertation. Universitöt Regensburg, Regensburg. Fakultät der Medizin.
2Geckle, G.; Bonefeld, M. (2013): Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. 4. Aufl. aktu. u. überar. Bad Langensalza: Haufe; Haufe-Lexware.
3Stiftung Warentest (2013): Oft zu ungenau. In: Test (Sonderheft), S. 61.
8Zentrales Vorsorgeregister (o.J.): Kann eine Patientenverfügung im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer eingetragen werden? Hg. v. Bundesnotarkammer. Online verfügbar unter http://www.vorsorgeregister.de/2:20/FAQ/PV-Eintragung.html, zuletzt geprüft am 16.07.2015.
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