Entstehung und Vermeidung von Druckgeschwüren (Dekubitusprophylaxe)
In der Fachsprache wird der Begriff Dekubitus verwendet, abgeleitet aus dem Lateinischen decumbere = sich niederlegen.
Ursache
Für die Entstehung sind hauptsächlich drei Faktoren verantwortlich:
1. Druck
2. Zeit
Druck und Zeit müssen immer gemeinsam betrachtet werden, denn letztlich ist nicht der Druck als solches ausschlaggebend, sondern die Dauer der Druckeinwirkung. Wenn auf einen Bereich des Körpers viel Kraft einwirkt, wird die Durchblutung behindert und Stoffwechselprodukte können nicht mehr abtransportiert werden. Bevor die ersten Anzeichen eines Druckgeschwüres (Hautrötung, Schwellung) sichtbar werden, sind die ersten Stellen im Gewebe bereits abgestorben.1
3. Individuelle Risikofaktoren
- Immobilität
- Eingeschränkte Wahrnehmung (von Druck und Schmerz)
- Durchblutungsstörungen
- Schlechter Allgemeinzustand
- Vorgeschädigte Haut (insbesondere trockene oder feuchte Haut)
- Unter- oder Übergewicht2
In der Medizin werden die Druckgeschwüre in vier Stadien eingeteilt3:
1. Grad | Umschriebene Rötung bei intakter Haut |
2. Grad | Hautdefekt |
3. Grad | Tiefer Hautdefekt, Muskeln und Sehnen sind sichtbar und eventuell betroffen |
4. Grad | Tiefer Hautdefekt mit Knochenbeteiligung |
Besonders gefährdet sind folgende Bereiche:
Generell alle Knochenvorsprünge, da hier kaum Muskeln und Fettgewebe vorhanden sind.
Was kann ich dagegen tun?
Die beste Vorbeugung ist immer die Förderung der Bewegung, um langen Druck auf die verschiedenen Körperbereiche zu vermeiden. Da dies nicht immer möglich ist, empfehlen sich folgende Maßnahmen:
1. Lagerung
In regelmäßigen Abständen sollte die betroffene Person in eine andere Position gebracht werden.
Wie viel Zeit zwischen den Wechseln vergehen sollte, ist von Person zu Person unterschiedlich und kann mithilfe des Drucktests ermittelt werden: Nach zwei Stunden einer gleichen Liegeposition schauen Sie, ob der Bettlägerige rot gefärbte Hautstellen an den besonders gefährdeten Körperstellen aufweist. Falls ja, drücken Sie mit dem Finger auf die Stelle. Verfärbt sich diese unter Druck weiß, liegt keine Rötung aufgrund eines Druckgeschwüres vor. Der zeitliche Abstand kann erweitert werden. Bleibt die Stelle bei Druck rot, ist der Abstand des Positionswechsels zu lange und muss verkürzt werden. So finden Sie mit der Zeit den individuellen Zeitabstand des Positionswechsels heraus.
Bei bettlägerigen Personen können Sie folgende Lagerungen durchführen:
30-Grad-Seitenlage
Legen Sie eine gerollte Decke oder ein längliches Kissen unter den Rücken der einen Seite. Zusätzlich legen Sie ein Kissen zwischen die Knie. Achten Sie dabei insbesondere darauf, dass die Ferse freiliegt.
Achten Sie bei seitlichen Lagerungen immer darauf, abschließend unter die aufliegende Schulter und Hüfte zu greifen und diese ein wenig nach vorne zu ziehen. Andernfalls wäre der Auflagedruck an diesen Punkten zu groß.
Schräglagerung durch schiefe Ebene
Bei dieser Lagerung wird eine gerollte Decke oder Ähnliches unter die Matratze geschoben, wodurch die gesamte Matratze inkl. des Liegenden auf eine Seite geneigt wird.
VAT- Lagerung
- Bei der A-Lagerung werden zwei zu Schiffchen geformte Kissen so unter den Rücken gelegt, dass sie die Form eines A´s bilden. Die Spitze des „A“ sollte im Nacken sein.
- Bei der V-Lagerung werden die Kissen genau anders rum gelegt, sodass die Spitze am Steißbein endet.
- Bei der T-Lagerung werden die Kissen so angeordnet, dass sie die Schulterblätter und die Wirbelsäule stützen.
Hohllagerung der Fersen
Die Fersen sollen in der Rückenlage freiliegen. Daher wird unter die Unterschenkel ein Kissen gelegt. Achten Sie darauf, dass auch das Knie auf dem Kissen liegt, da die Position sonst sehr unbequem ist.4
135-Grad-Lagerung
Der Betroffene wird auf dem Bauch gelagert. Diese Lagerung sollte aber nur von professionellen Pflegekräften angewandt werden, da bei unsachgemäßer Durchführung eine erhöhte Erstickungsgefahr droht.
In dem folgenden Video werden die einzelnen Lagerungen noch einmal anschaulich dargestellt:
Sitzposition
Wenn jemand eine im Bett sitzende Position einnimmt, sollte darauf geachtet werden, dass ein kleines Kissen unter die Oberschenkel gelegt wird. Dadurch verhindern Sie ein Herunterrutschen im Bett und damit einhergehende schädliche Scherkräfte (Reibung).
Mikrolagerung
Diese Maßnahmen haben eine sehr gute vorbeugende Wirkung und bedürfen eines minimalen Aufwands. Daher sind sie insbesondere für Schmerzpatienten, Personen im Rollstuhl und zur nächtlichen Lagerung geeignet, sollten aber als Ergänzung zur „normalen“ Lagerung angesehen werden.
Es werden entweder kleinste Positionsveränderungen der Gliedmaßen vorgenommen oder die Lagerungskissen minimal verrückt. Auch kann ein Handtuch mal unter das Becken, mal unter die Schulter, Ferse etc. gelegt werden. Dies soll das natürliche Bewegungsverhalten nachahmen.
Diese eigentlich kleinen natürlichen Bewegungen lassen sich leicht selbst nachvollziehen, wenn Sie sich einmal 10 Minuten auf einen Stuhl setzen und sich bewusst kein bisschen bewegen. Sie werden schnell das Bedürfnis haben, auf dem Stuhl ein wenig herumzurutschen.
Sehen Sie zum Thema Mikrolagerung auch das folgende Video. Ich muss allerdings dazu sagen, dass ich die gezeigte Armlagerung und das dazugehörige Brett in der Praxis noch nicht gesehen habe.
Hilfsmittel:
Als unterstützende Hilfsmittel kommen häufig auch Antidekubitusmatratzen zum Einsatz. Von der Verwendung von wassergefüllten Ringen und Schläuchen, Schaffellen sowie Ringkissen wird heute abgeraten, da deren Wirksamkeit nicht nachgewiesen wurde und der Einsatz teilweise sogar das Risiko der Entstehung eines Druckgeschwürs erhöhen kann.5
2. Hautpflege
Wie im Artikel „Urininkontinenz” bereits näher beschrieben, empfiehlt es sich, möglichst pH-neutrale Seife zu verwenden, um den Schutz der Haut nicht zu gefährden. Am besten ist, wenn Sie möglichst oft nur klares, lauwarmes Wasser verwenden6 und die Haut anschließend trocken tupfen. Rubbeln würde die Haut unnötig strapazieren. Anschließend tragen Sie eine Wasser-in Öl-Emulsion auf. Ergänzend können Sie auch eine hautstabilisierende Waschung durchführen.
3. Ernährung
Um eine trockene und somit anfällige Haut zu meiden, sollte auf eine tägliche Trinkmenge von 1,5 Litern täglich geachtet werden. Welche Getränke konsumiert werden, bestimmt der individuelle Geschmack. Diabetiker müssen natürlich bei gesüßten Getränken achtsam sein. Allerdings gibt es bestimmte Erkrankungen, wie Herz- oder Niereninsuffizienz, bei denen eine hohe Trinkmenge nicht zu befürworten ist. Um sicherzugehen, besprechen Sie die individuelle Trinkmenge mit dem Arzt. Zusätzlich ist eine vitamin- und eiweißreiche Ernährung unterstützend sinnvoll, ebenso wie eine Ernährungsweise, die einer bestehenden Unter- oder Überernährung entgegen wirkt.7
Quellen:
1+6Kamphausen, U. (2008): Prophylaxen in der Pflege. Anregungen für kreatives Handeln. 4., überarb. und erw. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer (Pflege kompakt).
2+4+7Michalke, C. (2001): Pflegetheorie und -praxis. München [u.a.]: Urban & Fischer (Altenpflege konkret).
3SQG- Sektorenübergreifende Qualitätssicherung im Gesundheitswesen (2015): Pflege: Dekubitusprophylaxe. Vorbeugung eines Druckgeschwürs. Unter Mitarbeit von A. Diegel. Hg. v. AQUA – Institut für angewandte Qualitätsförderung. Online verfügbar unter http://www.sqg.de/themen/leistungsbereiche/dekubitusprophylaxe.html, zuletzt aktualisiert am 18.06.2015, zuletzt geprüft am 14.07.2015.
5Vollmer, C. et.al. (2005): Leitlinie für Betroffene, Angehörige und Pflegende. Vorbeugen und frühzeitiges Erkennen von Wundliegen (=Dekubitusprävention). Medizinische Fakultät der Universität Witten/Herdecke. Online verfügbar unter http://www.patientenleitlinien.de/Dekubitus/dekubitus.html, zuletzt aktualisiert am 24.09.2009, zuletzt geprüft am 14.07.2015.
Bild: Andrea Poppen (03.09.2015)
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